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Japonismus
Einfluss Japanischer Holzschnittkunst
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Im 19. Jahrhundert lernten die Künstler in Europa die für sie neue Welt der japanischen Kunst kennen. Die Werke von Hiroshige, Hokusai oder Utamaro waren in Europa bis dahin weitgehend unbekannt, auch schon deshalb, weil Japan damals sich vor der übrigen Welt noch hermetisch abschloss. Mit der Öffnung wurden auch japanische Künste bekannt.
Sie hatten hierzulande wegen ihrer eigenen der europäischen Sichtweise entgegenstehenden Ästhetik weitreichenden Einfluss auf viele Kunstrichtungen. So haben sie auch den Jugendstil und Art Deco geistig angeregt. Künstler von van Gogh bis Klimt haben japanische Farbholzschnitte eingehend studiert und in ihre Arbeit einfließen lassen, wie auch Textilien aus Japan in die Malerei Eingang fanden. Manche, wie Emil Orlik, haben Reisen in den fernen Osten unternommen und die Künste vor Ort studiert. Die Kunst Japans und Chinas wurde zum Sammelobjekt. Einige Impressionisten hatten schöne Farbholzschnitte in ihrem Besitz.
Heute ist es wohl schwerer, die andere Ästhetik in den japanischen Kunstwerken zu erkennen, da vieles von dem, was damals in Europa als neu empfunden wurde, heute allgemeiner Bestandteil der modernen Kunst geworden ist. In den Werken japanischer Künstler wird zumeist nicht die in Europa damals übliche Zentralperspektive verwendet, sondern das Bild in Parallelen und anderen Perspektiven aufgebaut. Die Kunst des 'Weglassens' wird in den Drucken augenfällig, manches wird extrem angeschnitten, es wird keine Form modelliert.
Gedruckt wurde bis etwa 1840 mit Farben aus pflanzlichen Stoffen, die eine eher zarte Anmutung haben. Die späteren chemischen Farben werden kräftiger und haben eine größere Vielfalt.
Die nachfolgend genannten drei Künstler entstammen etwa aus der gleichen Zeit von 1750 bis 1850. Die Reihe ist sicher unvollständig und kann nur beispielhaft sein.
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Katagawa Utamaro
喜多川 歌麿
* ca. 1753, † 31. Oktober 1806 in Edo
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Der Älteste der drei ist Katagawa Utamaro. Er gilt wegen des schier unüberschaubaren Umfangs seiner Arbeit als der wichtigste Künstler im Bereich des Farbholzschnittes, der in Japan einen absolut hohen Qualitätsstandard durch ihn erreichte. Es zeichnen ihn besonderes kompositorisches Geschick aus und ein sehr selbständiger Umgang mit den Techniken. Dazu gehörte auch die Verfeinerung mit Perlmutt oder Goldstaub. Mit großem Erfolg widmete er sich neben anderem der Darstellung schöner anmutiger schlanker Frauen.
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Die äußere Robe
ca. 1795 - 38,1 x 24,8 cm - Farbholzschnitt
Drei Schönheiten des heutigen Tages
ca. 1791 - 38,7 x 25,7 cm - Farbholzschnitt mit Glimmerstaub
Reisende vor dem Fuji Berg
ca. 1800 - 25,5 cm x 38,6 cm - Farbholzschnitt
Im Wasser spielen
ca. 1802 - 35,3 x 24 cm - Farbholzschnitt
Sie genießen die Abendbrise auf und unter der Brücke
ca. 1800 - 36,2 x 51,1 cm - Zwei Blätter eines Buches mit Farbholzschnitten
Katsushika Hokusai
葛飾 北斎
* vermutlich 31. Oktober 1760 in Warigesui, Honjo, Edo; † 10. Mai 1849 in Henjōin, Shōten-chō, Asakusa |
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Katsushika Hokusai wird ebenfalls als einer der größten Meister des Farbholzschnitts genannt. Die Linie war Erzählung, ihre genaue Führung und die pastellfarbene Durchführung halten Landschaften und Geschichten fest, die durch ihre Lebendigkeit beeindrucken. Landschaften, Blumen und Vögel sind sein Markenzeichen geworden. Sein bekanntestes Werk ist die 'Große Welle bei Kanagawa'. Ein Bild, welches einen hohen Berühmtheitsgrad wohl auch in Europa erreicht hat.
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Unter der Welle vor Kanagawa
Aus: 36 Ansichten des Berges Fuji
ca. 1830/32 - 26,5 × 38,1 cm - Farbholzschnitt
Schwertlilien und Zikade
ca. 1820 - 24,8 x 36 cm - Farbholzschnitt und Tinte
Mishima Pass in der Provinz Kai
aus der Serie "Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji"
1830/32 - 24,8 x 37,5 cm - Farbholzschnitt und Tinte
Yahagi Brücke bei Okazaki
aus der Serie "Bemerkenswerte Brücken in den Provinzen"
1827/30 - 24,8 x 36,6 cm - Farbholzschnitt und Tinte
Neue Felder bei Aeno in der Suruga Provinz
aus der Serie "36 Ansichten des Berges Fuji"
1830/32 - 25,4 x 37,5 cm - Farbholzschnitt und Tinte
Utagawa Hiroshige
歌川 廣重
* 1797 in Edo (heute: Tokio); † 12. Oktober 1858 |
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Utagawa Hiroshige ist für seine stimmungsvollen Landschaften bekannt, die er in ganzen Serien verschiedenster Blickwinkel verband, wie in den 'Hundert Ansichten von Edo'. Er war ein sanfter Interpret der Landschaft, der dem japanischen Empfinden zur ruhigen, ausgeglichenen Lebensform sehr nahe kam. Die Bilder sind voller Atmosphäre und der Mensch ist ein Teil dieser Natur; einige Arbeiten erinnern an Malereien der Zen-Künstler.
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Fähre überquert den Rokugo Fluss
ca. 1834 - 24,1 x 37,5 cm - Polychromer Holzschnitt; Tinte und Farbe auf Papier
Kanbara: Blick auf den Fuji von Iwafuchi
ca. 1842 - 22,5 x 34,3 cm - Farbholzschnitt
Silberreiher und Iris
ca. 1837 - 25,7 x 19,1 cm - Farbholzschnitt
Fujikawa
aus der Serie 'Die dreiundfünfzig Stationen der Tôkaidô-Straße' (Tokaido Kyoka)
ca. 1838 - 23,2 x 17 cm - Farbholzschnitt
Hibiskus und Eichelhäher
ca. 1840 - 11,1 x 16,5 cm - Farbholzschnitt
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Etwa um 1850 wurden japanische Bilder, Keramiken oder auch Wandschirme in Europa allgemein bekannt. Holzschnitte fanden langsam in der Künstlerschaft Verbreitung. Man lernte die japanische Kunst kennen. Es dauerte aber noch Jahre, bis diese als exotisch angesehene Kunst in die Arbeit der Europäer einfloss. Zunächst tauchten in den europäischen Bildern japanische Werke als 'Dekoration' auf, sie veränderten den Stil der Malerei aber nicht. Der Bildaufbau blieb traditionell europäisch. Schönes Beispiel dafür ist ein Bild von Manet: ein Portrait von Zola, auf dem im Hintergrund japanische Motive zu sehen sind.
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Édouard Manet: Portrait Émile François Zola
1868 - 146 x 114 cm - Öl auf Leinwand
Musée d'Orsay, Paris >
Unter dem Eindruck japanischer Holzschnitte, schuf Mary Cassatt um 1890 einige Werke in der Art:
Mary Cassatt - Bath
ca. 1891 - 31,9 x 25 cm - Kaltnadelradierung und Aquatinta in Farbe
Mary Cassatt - Coiffure
ca. 1890/91 - 36,5 x 26,8 cm - Kaltnadelradierung und Aquatinta in Farbe
Auch van Gogh malt ein Selbstbildnis mit einem etwas veränderten japanischen Bild aus seiner Sammlung im Hintergrund:
Vincent van Gogh: Selbstporträt mit verbundenem Ohr
1889 - 50 x 60 cm - Öl auf Leinwand
Courtauld Institute of Art, London >
Torakiyo, Sato (Herausgeber) - Geishas in einer Landschaft
19 x 32 cm
Holzschnitt im Hintergrund des Selbstbildnisses
ehemals im Besitz von Vincent van Gogh
Portrait Père Tanguy
1887 - 92 x 75 cm - Öl auf Leinwand
Musée Rodin, Paris >
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Im Hintergrund sind einige der unzähligen japanischen Drucke in leuchtenden Farben platziert,
die der Künstler zusammen mit seinem Bruder Theo gesammelt hat, unter anderem das Bild der Kurtisane von Keisai Eisen, welches er auch in einem eigenen Bild verwendet hat.
Wurden bis dahin japanische Motive nur eingefügt, so verändert sich auch mit van Gogh oder Mary Cassatt die Sichtweise. Van Gogh hat sich intensiv beschäftigt mit den 'Bildern der heiteren, vergänglichen Welt', der ukiyo-e. Wie viele andere Künstler besaß er auch einige Blätter japanischer Holzschnitte. Er ging aber als erster einen Schritt weiter: In drei 'Japonaiserien' versucht van Gogh, das japanische Vorbild nicht nur in der Form zu übernehmen, sondern sich dessen Geist anzueignen. Da ist einmal die Komposition ohne die in Europa illusionistische Tiefe, die Farbe wird flächenhafter. Wichtiges Kennzeichen ist auch die andere Auffassung und Aufteilung des Raumes. Es existieren noch Papierpausen, die dann zu Gemälden führten, die sein Verständnis für die japanische Kunstauffassung vertiefte.
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Utagawa Hiroshige – Plötzlicher Regenschauer über der Shin-Ōhashi-Brücke und Atake
1857 - 34 x 24,1 cm - Holzschnitt
Vincent van Gogh – Japonoiserie: Die Brücke
1887 - 73 x 54 - Öl auf Leinwand
Van Gogh Museum, Amsterdam >
Utagawa Hiroshige – Pflaumenpark in Kameido
1857 - 37 x 25 cm - Holzschnitt
Vincent van Gogh – Japonoiserie: Blühnede Pflaume
1887 - 56 x 47 cm - Öl auf Leinwand
Van Gogh Museum, Amsterdam >
Vincent van Gogh - Vorzeichnung für Pflaumenbaum
1887 - 38,3 x 26,2 cm - Bleistift, Feder und Tinte auf Papier
Van Gogh Museum Amsterdam >
Keisai Eisen (1790 - 1848) - Kurtisane
ca.
1840 - 70 x 24,7 cm - Farbholzschnitt auf japanischem Papier
Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)
Vincent van Gogh - Kurtisane (nach Eisen)
1887 - 100 x 60 cm - Öl auf Leinwand
Van Gogh Museum, Amsterdam >
Auch auf dem Rand des Bildes von van Gogh sind weitere Zitate zu finden.
Nachzeichung vom Titel der Zeitschrift Paris Illustré. Le Japon im Mai 1886
Vincent van Gogh
1887 - 39,4 × 26,3 cm
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Die Beschäftigung van Goghs mit dem Japonismus hat seine eigene Malweise stark beeinflusst, er hat sich dadurch von seinen Vorbildern aus Barbizon und den Impressionisten weg weiterentwickelt. Van Goghs Arbeiten markieren auch einen entscheidenden Wendepunkt in der europäischen Kunst: Von nun an nahmen die Künstler die verschiedensten Kunstwerke aus aller Welt (also nicht nur aus Japan) für ihre Arbeit wahr und verarbeiteten die Eindrücke und Einflüsse. Es veränderte die künstlerische Arbeit grundlegend.
Auf der Pariser Weltausstellung 1878 wurde japanische Kunst als ein Höhepunkt präsentiert. Das hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Arbeit europäischer Künstler, die schon zuvor die neuen Ideen aufgriffen und verarbeiteten.
Neben Keramik wurden Kleidungsstücke wie Kimonos und Gewänder aus japanischem Theater auf der Ausstellung gezeigt. Auch im Bereich der Malerei und des Holzschnittes waren die farbenreichen Stoffe, die kostbar "japanoise" gekleideten Menschen Thema. Hier ein paar Beispiele aus der Zeit ab 1865, die in Europa bekannt wurden.
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Utagawa Toyoshige: Die Dichterin Ono-no Komachi im Regen
ca. 1800 - 39 x 25 cm - Farbholzschnitt
Torii Kiyonaga: Der neunte Monat
1784 - 37,9 x 25,4 cm - Farbholzschnitt
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Nicht nur Farbholzschnitte kamen nach Europa, sondern auch Keramik sowie Kleidungsstücke,
wie Kimonos.
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Schauspieler in der Kleidung für ein Theaterstück
Und dazu die europäische Verarbeitung:
Claude Monet - La Japonaise, Madame Monet en costume japonais
1876 - 232 x 142 cm - Öl auf Leinwand
Museum of Fine Arts Boston >
James McNeill-Whistler: La Princesse du pays de la porcelaine
1863/65 - 201 x 116 cm - Öl auf Leinwand
Freer Gallery of Art, Smithsonian Institution, Washington DC >
Der Einfluss reichte deutlich auch bis in den Jugendstil, wie am folgenden Bild zu sehen:
Gustav Klimt - Entwurf für den Wandfries im Palais Stoclet in Brüssel
Detail: Die Umarmung
1905/09 - 194 x 120 cm - Gouache auf Karton
Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien >
Ein weiteres Beispiel, bei dem der Einfluss japanischer Malerei bei der Bildaufteilung und den freien Flächen sichtbar wird:
Pierre Bonnard - Promenade des nourrices, frise des fiacres
Wandschirm: Spaziergang der Ammen, Paravent
1894/1897 - je 143 x 46 cm - vier Lithographien in fünf Farben
Privatsammlung
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Emil Orlik, ein böhmischer Maler und Grafiker, besuchte in den Jahren 1900 bis 1901 Ostasien und so auch Japan. Er brachte eine Fülle von Grafiken mit, die sich mit Themen der japanischen Malerei und ihrer Art beschäftigten.
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Emil Orlik - Ricksha Fahrer, Japan
1900 - 31,7 x 15,8 cm - Holzschnitt
Emil Orlik - Japanisches Mädchen unterm Weidenbaum
1901 - 18,5 x 35,9 cm - Farbholzschnitt auf Japanpapier
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Gustave Courbet lies sich von dem Holzschnitt 'Unter der Welle vor Kanagawa' von Hokusai inspirieren und malte etliche sehr gleiche Wogen-Gemälde. Eine schlichte Meereswelle war vorher undenkbar als Motiv. Lange vor Monet hat er damit eine ganze Serie des gleichen Motivs gemalt.
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Gustave Courbet - Die Woge
1869 - 63 x 91 cm - Öl auf Leinwand
Museum Städel, Frankfurt >
Gustave Courbet - Die Woge
1870 - 80 x 99 cm - Öl auf Leinwand,
Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», Winterthur >
Gustave Courbet - Meereswelle
ca. 1870 - 72 x 92 cm - Öl auf Leinwand
National Museum of Western Art, Tokyo >
Katsushika Hokusai - Chōshi Shimosha
1833 - 18,7 x 25,7 cm - Farbholstich
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